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Jeder Mensch hat Zugang zu medizinischer Versorgung?
… denkste!
Alle Menschen haben, unabhängig von ihrem Herkunftsstatus, ein fundamentales Recht auf medizinische Versorgung, wie es in verschiedenen internationalen Menschenrechtsabkommen verankert ist. Die tatsächliche Umsetzung dieses Rechts kann jedoch von Land zu Land und je nach spezifischer Situation erheblich variieren. In unserer täglichen Praxis erleben wir immer wieder, dass der Zugang zu medizinischer Versorgung zwar für alle gewährleistet sein sollte, in der Realität jedoch oft nicht der Fall ist. Im Folgenden möchten wir einige Beispiele aus unserem Alltag teilen, die diese Herausforderungen verdeutlichen.
In Deutschland regelt das Sozialgesetzbuch (SGB) V, dass die Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen dem medizinischen Bedarf entsprechen sollen. In der Praxis sieht die Situation jedoch anders aus: Obwohl die Gesetzeslage theoretisch allen Personen den Zugang zu notwendiger medizinischer Behandlung ermöglicht, wird vielen Menschen, insbesondere Obdachlosen und Personen ohne Aufenthaltsstatus, der Zugang zur Gesundheitsversorgung häufig verwehrt.
Asylsuchende, die in Deutschland ein Asylverfahren einleiten, haben in den ersten 18 Monaten ihres Aufenthalts nur eingeschränkten Zugang zu medizinischen Leistungen gemäß dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Nach § 4 des AsylbLG erhalten sie in dieser Zeit lediglich Behandlungen für akute Erkrankungen, Schmerzen, Schwangerschaft und Geburt sowie Impfungen. Die Versorgung bei chronischen Krankheiten, Pflegebedürftigkeit und Behinderungen muss gesondert beim Sozialamt beantragt werden und ist auf das Notwendigste zur Sicherung der Gesundheit beschränkt.
An dieser eingeschränkten Gesundheitsversorgung gibt es erhebliche Kritik, insbesondere im Bereich der psychosozialen Betreuung. Diese Defizite verdeutlichen die Diskrepanz zwischen den rechtlichen Rahmenbedingungen und der tatsächlichen Umsetzung des Rechts auf Gesundheitsversorgung in Deutschland.
In der griechischen Verfassung wird das Recht auf Gesundheit in Artikel 21 verankert, wodurch der Staat verpflichtet ist, die Gesundheit der Bürger:innen zu schützen und eine angemessene medizinische Versorgung sicherzustellen. Griechenland hat zudem den UN-Sozialpakt unterzeichnet und ratifiziert, was die Verpflichtung zur Wahrung des Rechts auf Gesundheit beinhaltet. Trotz dieser rechtlichen Rahmenbedingungen gibt es deutliche Ressourcen- und Kapazitätsengpässe im öffentlichen Gesundheitssektor, die den Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen für alle Bevölkerungsgruppen, einschließlich POMs, beeinträchtigen. Das Asylgesetz von 2020 zielt darauf ab, Verfahren zu beschleunigen und zu optimieren. Es beinhaltet Maßnahmen, wie die Einführung einer vorläufigen Sozialversicherungs- und Gesundheitsfürsorge-Nummer für Asylbewerber:innen, um den Zugang zur Gesundheitsfürsorge in der Theorie zu erleichtern. Trotz dieser rechtlichen Rahmenbedingungen gibt es jedoch Einschränkungen im Zugang zur Gesundheitsversorgung für POMs in Griechenland aufgrund von restriktiven Asylverfahren und politischen Entscheidungen. Insbesondere ist die Versorgungslage in den offiziellen griechischen Camps unzureichend, neben staatliche verursachten Lücken, wie die im Juli 2024 verursachte Pause in der medizinischen Versorgung in den Camps, sind auch die Überbelegung ebendieser eine Katastrophe.
Die Situation für Menschen auf der Flucht (People on the Move, POMs) in Bulgarien ist besorgniserregend, insbesondere im Hinblick auf die Gesundheitsversorgung. Theoretisch haben POMs Anspruch auf eine grundlegende medizinische Versorgung, die von der bulgarischen Regierung während der Überprüfung ihres Status bereitgestellt wird. In der Praxis berichten jedoch zahlreiche Nichtregierungsorganisationen (NGOs), darunter auch wir, dass medizinische Konsultationen und Behandlungen häufig auf die bloße Verabreichung von Schmerzmitteln beschränkt sind. Zudem herrscht oft eine ablehnende Haltung gegenüber den Patient:innen vor. Sobald das Asylverfahren abgeschlossen ist, zieht sich die Regierung aus der Kostenübernahme für die Krankenversicherung zurück, was bedeutet, dass die Betroffenen selbst für ihre Gesundheitskosten aufkommen müssen. Ohne eine gültige Versicherung sind sie gezwungen, sich ausschließlich auf Notfallversorgung zu beschränken, die nur in akuten Notsituationen bereitgestellt wird.
Während des laufenden Asylverfahrens dürfen diese Personen nicht arbeiten und sehen sich daher erheblichen finanziellen Engpässen gegenüber. Das vom bulgarischen Staat bereitgestellte Basisgesundheitspaket deckt zudem keine verschreibungspflichtigen Medikamente, Labortests oder andere notwendige medizinische Eingriffe ab. Auch grundlegende Bedürfnisse wie Babynahrung, Windeln und Hygieneartikel werden nicht vom Staat übernommen und stellen somit eine enorme finanzielle Belastung für POMs dar.
Insgesamt ist die Lage für Menschen auf der Flucht in Bulgarien alarmierend und erfordert dringend Aufmerksamkeit und Unterstützung, um sicherzustellen, dass ihre grundlegenden Gesundheitsbedürfnisse angemessen erfüllt werden.
Quellen:
AsylbLG – Asylbewerberleistungsgesetz.
PRO ASYL. (2023). #GesundheitFürAlle – Schluss mit der diskriminierenden Gesundheitsversorgung von Geflüchteten!
Ärzteblatt, D. Ä. G. R. D. (2024). Ärzte und Psychotherapeuten kritisieren Einschränkung der Gesundheitsversorgung für Asylbewerber.
Bundesärztekammer. (2022, 9. Dezember). Recht auf medizinische Versorgung muss staatlich garantiert werden. Bundesärztekammer. https://www.bundesaerztekammer.de/presse/aktuelles/detail/recht-auf-medizinische-versorgung-muss-staatlich-garantiert-werden
Bulgaria News. (2024). Advocacy Report May & June 2024. https://medical-volunteers.org/AdvocacyReportBulgaria_May-June2024.pdf
Frahm, J. (2024, 21. Juli). Geflüchtetencamps in Griechenland: Hilfe lässt auf sich warten. TAZ Verlags- und Vertriebs GmbH. https://taz.de/Gefluechtetencamps-in-Griechenland/!6022264/