Infokampagne 2024
Gesundheit ist ein Menschenrecht?
… lol!
„Die Grundidee eines […] Menschenrechts auf Gesundheit ist, dass der Staat die Gesundheit der Menschen nicht beeinträchtigt, diese vor Eingriffen schützt und Maßnahmen ergreift, damit die Menschen gesunde Lebens- und Arbeitsbedingungen vorfinden und sie vor allem Zugang zu einer angemessenen Gesundheitsversorgung haben.“ [1]
Das Recht auf Gesundheit ist ein grundlegendes Menschenrecht, das unter anderem im Völkerrecht durch verschiedene internationale Abkommen verankert ist. Gemäß dem noch heute gültigen Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (ICESCR) von 1966 hat jeder Mensch das Recht auf das höchstmögliche Maß an körperlicher und geistiger Gesundheit. [2]
Das bedeutet unter anderem, dass sich alle Vertragsstaaten des ICESCR dazu verpflichten, diese Rechte umzusetzen. Sie garantieren damit einen „diskriminierungsfreien Zugang“ [3] zu einem uneingeschränkten Recht auf Gesundheit.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert Gesundheit in ihrer Verfassung von 1946 als einen Zustand des vollständigen Wohlbefindens und nicht nur als das Fehlen von Krankheiten. Dieser umfassende Ansatz betont die Bedeutung der physischen, mentalen und sozialen Aspekte der Gesundheit für das allgemeine Wohlbefinden eines Individuums. Das Recht auf Gesundheit beinhaltet den Zugang zu sauberem Trinkwasser, angemessener Ernährung, gesunden Arbeitsbedingungen sowie medizinischer Versorgung [4]. Es umfasst auch die Autonomie, Entscheidungen über die eigene Gesundheit zu treffen, sowie den Schutz vor Eingriffen in die Gesundheit. Die Umsetzung dieses Rechts erfordert die Schaffung sozialer Bedingungen, die es Menschen ermöglichen, ein gesundes Leben zu führen.
Weitere internationale Menschenrechtsabkommen wie die UN-Kinderrechtskonvention [5], die UN-Frauenrechtskonvention [6] und die UN-Behindertenrechtskonvention [7] enthalten ebenfalls Bestimmungen zum Recht auf Gesundheit oder einzelne Aspekte davon. Diese Abkommen zielen darauf ab, spezifische Bedürfnisse bestimmter Bevölkerungsgruppen zu berücksichtigen.
Der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte überwacht die Umsetzung des ICESCR und hat im Jahr 2000 einen Allgemeinen Kommentar [8] zum Recht auf Gesundheit veröffentlicht. Dieser betont die Bedeutung von Kriterien wie Verfügbarkeit, Zugänglichkeit, Annehmbarkeit* und Qualität bei der Definition des Rechts auf Gesundheit.
[* Erläuterung: „Annehmbarkeit“ bedeutet in diesem Kontext, dass die Gesundheitseinrichtungen, -güter und -dienste den kulturellen Werten und der individuellen Würde der Patient:innen entsprechen, sowie gendersensibel und für unterschiedliche Lebenslagen geeignet sind.]
Darüber hinaus liegt gemäß dem ICESCR die Umsetzung des Rechts auf Gesundheit hauptverantwortlich bei den einzelnen Staaten. Dieses beinhaltet demnach die staatliche Verpflichtungen zur Achtung, zum Schutz und zur Gewährleistung dieses grundlegenden Menschenrechts.
Ein Staat muss demnach darauf achten, dass staatliche Handlungen nicht gegen das Recht auf Gesundheit verstoßen. Diskriminierungsfreier Zugang zur Gesundheitsversorgung ist ein zentraler Aspekt dieser Pflicht.
Die Schutzpflichten meinen den Schutz vor Eingriffen Dritter in die Gesundheitsversorgung, insbesondere durch private Akteur:innen im Gesundheitswesen.
Aktives staatliches Handeln hingegen erfordern die Gewährleistungspflichten. Diese sollen die umfassende Ausübung des Rechts auf Gesundheit ermöglichen. Dazu gehört die Bereitstellung von medizinischen Einrichtungen und Programmen sowie die Verbesserung sozioökonomischer Bedingungen, die die Gesundheit beeinflussen. Eine gerechte Verteilung von Ressourcen und Maßnahmen zur Vorbeugung und Behandlung von Krankheiten sind ebenfalls erforderlich.
Gesundheit ist ein Menschenrecht und doch stellen wir jeden Tag fest, dass Staaten anstatt ihrer Pflicht nachzukommen allen Menschen dieses Recht zugänglich zu machen, genau das Gegenteil tun. Durch diverse Vorschriften und Gesetze wird das Menschenrecht Gesundheit zum Luxusgut und nicht mehr gleichermaßen für alle Menschen zugänglich.
So steht auch die Abschottung der EU im krassen Gegensatz zu diesem Menschenrecht. Durch die nicht vorhandenen legalen Fluchtwege und die Kriminalisierung von Flüchtenden werden diese systematisch ihrer Menschenrechte beraubt und es existiert dort keinerlei Zugang zu medizinischer Versorgung. Stattdessen sind Pushbacks an den europäischen Außengrenzen an der Tagesordnung. [9]
Diese gewaltsame Zurückweisung von Schutzsuchenden ist nicht menschenrechtskonform. In unseren Projekten sehen wir neben Bissverletzungen durch Polizeihunde auch Schnittwunden, den Verlust von Fingergliedern oder Knochenbrüche. Solche schweren Verletzungen, aber auch kleinere Wunden, können aufgrund der mangelhaften Hygieneverhältnisse und fehlender medizinischer Versorgung zu schweren Infektionen führen.
Auch innerhalb Deutschlands unterliegen Geflüchtete Beschränkungen beim Zugang zu umfassender medizinischer Versorgung, beispielsweise durch die Limitierung im Asylbewerberleistungsgesetz. [10]
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Quellen:
[1] Krennerich, Michael: Menschenrechte: Grundlagen, Kontroversen und Perspektiven. Wiesbaden: Springer (2016) S. 57.
[2] Deutsches Institut für Menschenrechte: Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (1966) [online]
https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/Redaktion/PDF/DB_Menschenrechtsschutz/ICESCR/ICESCR_Pakt.pdf [abgerufen am 28.09.2024).
[3] Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (CESCR). Allgemeiner Kommentar Nr. 14 (2000): Das Recht auf das für die Gesundheit erreichbare Höchstmaß (Artikel 12 des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte). UN-Dokument: E/C.12/2000/4.
[4] Weltgesundheitsorganisation (WHO). Verfassung der Weltgesundheits-organisation (1946) Präambel. Genf: WHO.
[5] Vereinte Nationen (UN). Übereinkommen über die Rechte des Kindes. Resolution 44/25 der Generalversammlung der Vereinten Nationen, 20. November 1989. UN-Dokument: A/RES/44/25.
[6] Vereinte Nationen (UN). Übereinkommen zur Beseitigung aller Formen von Diskriminierung der Frau. Resolution 34/180 der Generalversammlung der Vereinten Nationen, 18. Dezember 1979. UN-Dokument: A/RES/34/180.
[7] Vereinte Nationen (UN). Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (CRPD). Resolution 61/106 der Generalversammlung der Vereinten Nationen, 13. Dezember 2006. UN-Dokument: A/RES/61/106.
[8] Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (CESCR). Allgemeiner Kommentar Nr. 14 (2000): Das Recht auf das für die Gesundheit erreichbare Höchstmaß (Artikel 12 des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte). UN-Dokument: E/C.12/2000/4.
[9] Border Violence Monitoring Network: Monthly Reports [online]
https://borderviolence.eu/databases/monthly-reports/ [abgerufen am: 04.10.2024].
[10] Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer: Welche Rechte auf Gesundheitsversorgung haben Geflüchtete? [online] https://www.baff-zentren.org/faq/welche-rechte-auf-gesundheitsversorgung-haben-gefluechtete/ [abgerufen am: 24.09.2024].
Weitere Quellen:
Krennerich, M. (2016). Menschenrechte: Grundlagen, Kontroversen und Perspektiven. Verlag Barbara Budrich.
Zenker, Heinz-Jochen 2011: Europäische Strukturen der Gesundheitsversorgung von irregulären Migrantinnen und Migranten, in: Mylius, Maren/Bornschlegl, Wiebke/Frewer, Andreas (Hrsg.): Medizin für „Menschen ohne Papiere“, Göttingen: V&R unipress, 83-99.
OHCHR. (1948). Universal Declaration of Human Rights. [online] https://www.ohchr.org/en/human-rights/universal-declaration/translations/german-deutsch [abgerufen am: 24.09.2024].
Franke, A. (2006). Gesundheit und Menschenrechte: Grundlegende internationale Dokumente. 2. Auflage. Cambridge, MA: Harvard University Press.
Vereinte Nationen (UN). Allgemeiner Kommentar Nr. 20: Nichtdiskriminierung in wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten (Artikel 2, Absatz 2 des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte). UN-Dokument: E/C.12/GC/20, 2009.Vereinte Nationen E/C.12/GC/20: General Comment No. 20 on the right to health.
European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR). Pushbacks an den EU-Außengrenzen. Januar 2024.
Verfügbar unter: [online] https://www.ecchr.eu [abgerufen am: 24.09.2024].