Info zur Bildungskampagne 2024
Asylverfahren schnell und menschlich?
… schön wär’s!
Asylverfahren sind rechtliche Prozesse, die es Personen ermöglichen sollen, internationalen Schutz in einem Land zu beantragen, wenn sie in ihrem Herkunftsland Verfolgung oder ernsthaften Schaden befürchten. Diese Verfahren sind ein zentraler Bestandteil des internationalen Flüchtlingsrechts und basieren auf verschiedenen rechtlichen Grundlagen.
Grundlagen der Asylverfahren sind zum einen Völkerrechtliche Verpflichtungen, das wichtigste Dokument ist die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951, die den Status von Flüchtlingen definiert und den Mitgliedstaaten vorschreibt, Flüchtlinge nicht in Länder zurückzuführen, in denen ihr Leben oder ihre Freiheit bedroht ist (Non-Refoulement-Prinzip). Auch andere internationale Menschenrechtsabkommen, wie der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR), spielen eine Rolle.
Zum anderen spielen Nationale Gesetze eine wichtige Rolle, denn jedes Land hat eigene Gesetze und Verfahren zur Bearbeitung von Asylanträgen. Diese Gesetze müssen im Einklang mit internationalen Verpflichtungen stehen. In Deutschland beispielsweise regelt das Asylgesetz die Verfahren für Asylanträge.
Im Frühjahr 2024 wurde das GEAS, das Gemeinsame Europäische Asylsystem verabschiedet, ein Konzept der Europäischen Union, das darauf abzielt, ein einheitliches Verfahren für die Bearbeitung von Asylanträgen in den Mitgliedstaaten zu schaffen, das ist kein besonders neues Vorhaben der EU.
Die Entwicklung des GEAS begann mit dem Vertrag über die Europäische Union von 1992, der die Asyl- und Flüchtlingspolitik erstmals als gemeinsames Interesse behandelte. Mit dem Amsterdamer Vertrag von 1999 wurden die Bereiche des materiellen und formellen Asylrechts weitgehend in die supranationale Zuständigkeit der EU überführt. Der Vertrag von Nizza im Jahr 2003 änderte das Abstimmungsverfahren für asylrechtliche Themen von Einstimmigkeit auf qualifizierte Mehrheit, was den Gesetzgebungsprozess vereinfachte.
Das GEAS basiert auf primärrechtlichen Grundlagen, die in den Verträgen der EU festgelegt sind, sowie auf sekundärrechtlichen Grundlagen wie Verordnungen und Richtlinien, die spezifische Regelungen für Asylverfahren enthalten. Zu den wichtigsten Dokumenten gehören die Qualifikationsrichtlinie, die Mindeststandards für die Anerkennung von Schutzbedürftigen festlegt; die Asylverfahrensrichtlinie, die Standards für das Verfahren selbst definiert; sowie die Dublin-Verordnung, die regelt, welcher Mitgliedstaat für einen Asylantrag zuständig ist.
Aktuelle Reformen des GEAS (2023/2024) zielen darauf ab, effizientere und schnellere Asylverfahren innerhalb der EU zu schaffen. Eine politische Einigung wurde erzielt, um neue Regelungen einzuführen, darunter eine Screening-Verordnung für irreguläre Einreisen und eine Krisenverordnung für außergewöhnliche Situationen. Diese Reformen stoßen jedoch auf erhebliche Kritik von NGOs und Menschenrechtsorganisationen. Viele befürchten, dass sie zu einer weiteren Verschlechterung des Flüchtlingsschutzes führen werden. Auch MVI hat dazu bereits Stellung bezogen, da diese Entwicklung höchst besorgniserregend ist.
Insgesamt zeigt sich, dass das GEAS zwar darauf abzielt, ein einheitliches und gerechtes System zur Bearbeitung von Asylanträgen zu schaffen, gleichzeitig aber auch erhebliche Probleme mit sich bringt. Die Politik der Abschottung an den Außengrenzen führt nicht nur zu humanitären Krisen und Todesfällen unter Migrant:innen, sondern gefährdet auch grundlegende Menschenrechte von schutzbedürftigen Gruppen wie bspw. Kindern.
In vielen EU-Ländern werden die Rechte von Asylsuchenden derzeit schon stark verletzt. Besonders betroffen sind das Recht auf ein faires Asylverfahren und die menschenwürdige Aufnahme von Menschen, die Schutz suchen. Es gibt zahlreiche Berichte, dass Asylsuchende gewaltsam über die Grenzen in Nachbarländer gebracht werden, ohne dass ihre Gründe für den Asylantrag überhaupt geprüft werden (sog. Push-backs). In anderen Fällen leben diese Menschen, darunter auch Familien mit Kindern, wochenlang in Einrichtungen, die eher wie Gefängnisse aussehen und von Stacheldraht und Wachtürmen umgeben sind.
Menschen, die oft traumatische Fluchterfahrungen gemacht haben, brauchen einen sicheren Ort, um sich zu erholen und Unterstützung zu erhalten – sowohl rechtlich als auch psychologisch – damit sie sich auf ihr Asylverfahren vorbereiten können. Die geplanten Reformen der EU bieten jedoch keine Lösungen für diese gravierenden Probleme. Stattdessen scheinen sie grundlegende Menschenrechte weiter zu missachten und könnten den Schutz von Flüchtlingen in Europa weiter schwächen. Dies geschieht unter anderem durch schnellere Verfahren an den Außengrenzen der EU, die den Bedürfnissen der schutzbedürftigen Menschen nicht gerecht werden.
Menschen aus Ländern, in denen weniger als 20 Prozent der Asylanträge im europäischen Durchschnitt anerkannt werden, sollen ein beschleunigtes Verfahren an den Grenzen durchlaufen. In diesem Verfahren gelten Schutzsuchende zunächst als nicht eingereist, obwohl sie bereits europäischen Boden betreten haben. Obwohl der Entwurf keine Haft erwähnt, bleibt unklar, wie das Einreiseverbot während des Verfahrens ohne geschlossene Einrichtungen oder erhebliche Einschränkungen der Freiheit umgesetzt werden kann. Auch Familien mit Kindern und besonders schutzbedürftige Personen sind von diesen Regelungen nicht ausgeschlossen.
Ein systematischer Freiheitsentzug nur aufgrund eines Asylantrags verstößt gegen die Genfer Flüchtlingskonvention. Zudem zeigen Erfahrungen mit Aufnahmelagern an den Außengrenzen, dass eine menschenwürdige Unterbringung und der Zugang zu rechtlicher und medizinischer Beratung und Versorgung unter diesen Bedingungen oft nicht sichergestellt sind.
Quellen:
EU-Asylreform: Menschenrechte Geflüchteter gefährdet. (2020). Institut für Menschenrechte.
BMI: Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, in: Bundesministerium Des Innern und für Heimat.
Bundesfachverband unbegleitet minderjährige Flüchtlinge (BumF e.V.) (2023): EU einigt sich auf GEAS Reform – BumF, BumF
PRO ASYL (2023): Fatale GEAS-Einigung: Rechtsruck in Europa manifestiert sich im Abbau der Menschenrechte beim Flüchtlingsschutz!